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Einleitung
Das Wachstumshormon (GH) spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von Körperwachstum, Stoffwechsel und Alterungsprozessen. Die präzise Quantifizierung von GH im Serum ist entscheidend für die Diagnose und Therapie von GH-Störungen wie GH-Defizienz, Akromegalie sowie für die Überwachung von Behandlungen mit recombinant GH. Immunanalysen – darunter Radioimmunoassay (RIA), Enzyme-Linked Immunosorbent Assay (ELISA) und chemilumineszenzbasierte Verfahren – sind die am häufigsten eingesetzten Techniken, da sie relativ einfach, kostengünstig und in klinischen Laboren etabliert sind.
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Aktueller Stand der Technik
Methode Hauptmerkmale Vorteile Einschränkungen
RIA Radioaktiv markiertes Antigen, Kalibrierung mit radioaktivem Standard Hohe Empfindlichkeit (pg/ml), gut etabliert Strahlenrisiko, Entsorgung, lange Laufzeit
ELISA Enzymmarkierung, Farbreaktion, optische Messung Nicht-radioaktiv, einfach zu automatisieren Geringere Sensitivität als RIA bei niedrigen Konzentrationen
Chemilumineszenz-Immunoassay (CLIA) Lichtemission nach chemischer Reaktion Sehr hohe Empfindlichkeit, schnelle Durchlaufzeiten Komplexe Geräteanforderungen, höhere Kosten
Alle Verfahren nutzen anti-GH-Antikörper, die spezifisch gegen das Hormon binden. Die Genauigkeit hängt jedoch stark von der Antikörperqualität, der Kalibrierung und dem Vorhandensein von Interferenzen ab.
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Ungelöste Probleme
Heterophile Antikörper (HA) und andere Immuninterferenzen
- HA können fälschlicherweise an die Immobilisierten Antikörper binden, was zu falschen Ergebnissen führt. Die meisten Kits enthalten keine standardisierte Hemmung von HA.
Variabilität der Standards
- Unterschiedliche Hersteller nutzen unterschiedliche Referenzmaterialien (z. B. WHO-Standards), wodurch Ergebnisse zwischen Labors nicht direkt vergleichbar sind.
GH-Isoformen und Proteine
- GH existiert in verschiedenen Isoformen (α-, β-GH) sowie in komplexen mit GH-Binding-Protein (GHBP). Die meisten Kits erkennen nur bestimmte Isoformen oder haben unterschiedliche Affinitäten zu GHBP-komplexierten Formen.
Serum-Matrixeffekte
- Lipid- und Proteinhalt im Serum können die Bindungseffizienz beeinflussen, was bei hohen Triglyceriden oder bei extremen Proteinkonzentrationen auffällt.
Zeitpunkt der Probenentnahme
- GH hat einen stark pulsierenden Stoffwechsel; unkontrollierte Entnahmetermine führen zu erheblichen Variabilitäten. Viele Laboratorien verzichten auf standardisierte Zeitpläne, was die Vergleichbarkeit erschwert.
Klinische Konsequenzen
Problem Auswirkungen auf die Praxis
HA-Interferenzen Falsch-positive oder falsch-negative Ergebnisse → falsche Diagnosen (z. B. vermeintliche GH-Defizienz)
Standardvariabilität Schwierigkeit, Referenzwerte zu interpretieren; potenziell unterschiedliche Therapieentscheidungen
Isoformen-Differenzierung Unvollständige Aufklärung von Akromegalie, wenn nicht alle Isoformen erfasst werden
Matrixeffekte Infehlerhafte Dosierungsentscheidungen bei Patienten mit Lebererkrankungen oder Fettleibigkeit
Unregelmäßige Probenentnahme Fehlinterpretation der Hormonspiegel; mögliche Unter- bzw. Überdosierung von recombinant GH
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Ausblick und Empfehlungen
Standardisierung fördern
- Einsatz von WHO-Standards für Kalibrationskurven, regelmäßiger Austausch zwischen Laboren.
Interferenzprüfung einbauen
- Routinemäßige Screening-Tests gegen HA (z. B. durch Zugabe von Heterophyl-Blockern).
Isoform-spezifische Assays entwickeln
- Kombination aus mehreren Antikörpern oder Massenspektrometrie zur gleichzeitigen Erfassung aller relevanten GH-Formen.
Matrixkontrolle
- Validierung von Kits bei unterschiedlichen Serumbedingungen; ggf. Voraufbereitung der Probe (z. B. Desinfektion).
Probenentnahme standardisieren
- Festlegung von Zeitpunkten oder Einsatz von pulsabhängigen Messungen (z. B. 24-h-Sampling) in Forschung und Praxis.
Durch die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen kann die Aussagekraft von GH-Messungen deutlich erhöht werden, was letztlich zu präziseren Diagnosen, optimierten Therapien und besseren Patientenoutcomes führt.
Die Messung des menschlichen Wachstumshormons (GH) mittels Immunanalysen spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik von Wachstumsstörungen und Hypophysären Erkrankungen. In den letzten Jahrzehnten hat die Technologie erhebliche Fortschritte gemacht, jedoch bleiben wichtige Herausforderungen bestehen, die sowohl die Genauigkeit als auch die klinische Entscheidungsfindung beeinflussen.
Immunoassays für GH werden üblicherweise in Form von Enzymimmunoassays (EIA), Radioimmunoassays (RIA) und moderneren Sandwich-Immunoassays realisiert. Der Grundgedanke ist, dass spezifische Antikörper gegen das Hormon bindet und die Menge des gebundenen GH durch einen nachgeschalteten Signalmechanismus quantifiziert wird. Die Genauigkeit dieser Verfahren hängt stark von der Selektivität des verwendeten Antikörpers ab. Viele Immunoassays greifen nicht nur auf die native 22-Amid-Version des Hormons zu, sondern erkennen auch mehrere Isoformen und Metaboliten wie das prohormonbasierte PräproGH-Fragment (P5). Dies führt zu einer Über- oder Unterbewertung der tatsächlichen biologischen Aktivität.
Ein weiteres Problem ist die Interferenz durch antimikrobielle Substanzen, zum Beispiel durch Antikörper von Patienten mit Autoimmunerkrankungen. Die sogenannte „Hook-Effekt"-Interferenz tritt auf, wenn sehr hohe GH-Konzentrationen zu einer fälschlicherweise niedrigen Messung führen. Moderne Assays nutzen oft ein „two-step" Verfahren, um diesem Phänomen entgegenzuwirken, jedoch ist die Implementierung nicht überall standardisiert.
Die klinische Konsequenz dieser Unsicherheiten manifestiert sich häufig in der Fehldiagnose von GH-Defizienz oder GH-Schilddrüsen. Bei Kindern mit Wachstumsverzögerungen kann ein falscher Wert dazu führen, dass eine lebenswichtige Hormonersatztherapie entweder zu früh begonnen oder unnötig unterlassen wird. Ebenso können bei Erwachsenen mit Akromegalie die Messwerte die Therapieintensität beeinflussen; eine Unterestimation der GH-Spiegel kann zu einer unzureichenden Kontrolle des Zustands führen.
Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von hochspezifischen Antikörpern, die ausschließlich an das biologisch aktive 22-Amid-GH binden. Zusätzlich wird versucht, Standardlösungen zu etablieren, die zwischen den verschiedenen Laboren konsistent sind. Eine weitere vielversprechende Richtung ist die Nutzung von Massenspektrometrie zur direkten Messung der GH-Moleküle. Diese Technik könnte das Problem der Isoform-Interferenz lösen, erfordert jedoch teure Ausrüstung und spezialisiertes Fachwissen.
Im Hinblick auf die Praxis gibt es Bestrebungen, internationale Leitlinien zu harmonisieren. Das Endocrine Society Working Group hat bereits Empfehlungen für die Standardisierung von GH-Assays veröffentlicht, aber deren Umsetzung bleibt unvollständig. Ein weiterer Schritt könnte darin bestehen, einen verbindlichen PERMALINK (permanente Internetadresse) für jedes zugelassene Assay zu etablieren, sodass Labore und Kliniker jederzeit auf die genaue Spezifikation des verwendeten Tests zugreifen können.
Martin Bidlingmaier ist ein prominenter Forscher im Bereich der Endokrinologie, insbesondere bekannt für seine Arbeiten zur Standardisierung von Immunanalysen. Er hat mehrere Publikationen vorgelegt, in denen er die kritischen Faktoren bei der GH-Messung diskutiert und Richtlinien für die Qualitätskontrolle von Labordaten vorschlägt. Bidlingmaier betont dabei die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit zwischen Laboren, Herstellerunternehmen und klinischen Fachbereichen, um eine einheitliche und verlässliche Diagnostik zu gewährleisten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Immunanalysen für menschliches GH trotz technischer Fortschritte noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Die Lösung dieser Probleme erfordert eine Kombination aus technologischer Innovation, standardisierter Qualitätskontrolle und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Nur so kann die Genauigkeit der Messungen verbessert werden, um die optimale klinische Versorgung von Patienten mit Wachstumshormon-Störungen sicherzustellen.
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